Universität Hamburg - Fakultät für Erziehungswissenschaft - Prof. Dr. Ingrid Lohmann

DFG-Forschungsprojekt

Jüdische Dialogkultur und das Problem der Interkulturalität.
Historische Rekonstruktion am Beispiel der jüdischen Freischule in Berlin
1778-1825

 

 Prof. Dr. Ingrid Lohmann  Peter Dietrich M.A.  Christian Bahnsen  cand phil. Britta L. Behm  Uta Lohmann M.A.


Schriftenreihe "Jüdische Bildungsgeschichte in Deutschland"   Anschrift   Projektbeschreibung   Abschlußbericht an die DFG  
Workshop
 Publikationen   Abschlußarbeiten aus dem Projekt   AG Jüdische Bildungsgeschichte auf dem 16. DGfE-Kongreß
AG Transformationsprozesse in der deutsch-jüdischen Bildungsgeschichte auf dem 17. DGfE-Kongreß


 

Projektbeschreibung

DFG-Förderung 12/1992 - 3/1997
Jüdische Dialogkultur und das Problem der Interkulturalität. Historische Rekonstruktion am Beispiel der jüdischen Freischule in Berlin (1778-1825)
Kurztitel: Jüdische Freischule

Aus dem Antrag an die Deutsche Forschungsgemeinschaft (5/1992)

Ziel des Projekts ist die Erarbeitung einer Fallstudie über die jüdische Freischule in Berlin (1778-1825) mit Schwerpunkt auf den Anstößen, die jüdische Philosophen und Literaten in den erziehungstheoretischen Diskurs der Aufklärung eingebracht, sowie auf den Motiven, die aus der Sicht der jüdischen Minderheit zu dieser Schulgründung geführt haben. Aus der Rekonstruktion der Geschichte der Freischule sowie der öffentlichen Reaktion auf sie wird Aufschluß über die Frage erwartet, auf welche Weise zu Zeiten von Aufklärung und Neuhumanismus konzeptionelle Elemente aus dem jüdischen Denken sowie Motive, die sich aus der Problemlage (staats-) bürgerlicher Emanzipation der Juden speisten, in die Konstituierung moderner pädagogischer Theorie und schulischer Praxis eingegangen sind. Es wird angenommen, daß es auf diesem Gebiet Ansätze eines 'interkulturellen Dialogs' zwischen jüdischen und nichtjüdischen Aufklärern gegeben hat, die durch die Nationalisierung des Bildungssystems im Lauf des 19. Jahrhundert verschüttet worden sind. Zugleich wird davon ausgegangen, daß am Beispiel der Berliner jüdischen Freischule Möglichkeiten und Grenzen sozialer Integration von Minderheiten durch Schulreform zugespitzt sichtbar gemacht werden können.

Das Freischulprojekt endete im Juni 1997. Fortgesetzt wird über diesen Zeitrahmen hinaus die Arbeit an der Fertigstellung von Quellenbänden und einem Darstellungsband zu den Forschungsresultaten. Ebenfalls fortgesetzt wird die Zusammenarbeit mit den KollegInnen in den Einzelprojekten des DFG-Projektverbundes "Wandlungsprozesse im Judentum durch die Aufklärung" sowie mit KollegInnen des inzwischen abgeschlossenen DFG- Schwerpunktprogramms "Folgen der Arbeitsmigration für Bildung und Erziehung" (FABER), dem das Freischulprojekt assoziiert war.

Die Freischule war das pädagogische Labor der Haskala, der jüdischen Aufklärung; einige der bedeutendsten jüdischen Aufklärer - Moses Mendelssohn, Hartwig Wessely, David Friedländer - haben ihre theoretischen Anstrengungen mit dieser Institution praktisch verbunden. Die Geschichte der Schule steht exemplarisch für den Aufbruch der deutschen (und in gewisser Weise darüber hinaus der europäischen) Judenschaft in die Moderne.

Dabei bietet die Geschichte der Freischule auf den ersten Blick ein recht unscheinbares Bild: Die Anstalt, ständig in Wohnungs- und Geldnöten, umfaßte nie mehr als 70-80 Schüler, bis zum Verbot der Koedukation, 1819, allerdings jüdische und christliche; die meisten von ihnen stammten aus armen Elternhäusern; viele der jüdischen Absolventen gingen in die (ost)preußischen Provinzen zurück und brachten dort als Lehrer Haskala und Akkulturation voran. Die Geistesgeschichte verzeichnet praktisch keinen Namen aus dem Kreise der Freischulabsolventen.

Dennoch stellten Existenz und Programmatik insbesondere dieser jüdischen Schule das damalige Bildungsdenken vor eine theoretische Bewährungsprobe. Denn es galt, das Allgemeine der allgemeinen Bildung gewissermaßen allgemeiner zu konzipieren, als erforderlich gewesen wäre, wenn es bloß um die theoretisierende Universalisierung auf der empirischen Grundlage einer christlichen Gesellschaft gegangen wäre. Gelungen ist dies unseren bildungstheoretischen Vorvätern weniger gut als man annehmen möchte: Wenn man die jüdische Bildungsgeschichte in Deutschland zwischen 1770 und 1830 fokussiert, werden mehr blinde Flecken der klassischen Bildungstheorie deutlich als einem lieb sein kann.

Die Ergebnisse des Freischulprojekts veröffentlichen wir ab 2000 in der Schriftenreihe "Jüdische Bildungsgeschichte in Deutschland" beim Waxmann Verlag, Münster, New York.


Publikationen

Schriftenreihe Jüdische Bildungsgeschichte in Deutschland

Sammelband zur Tagung Dialog zwischen den Kulturen (Universität Hamburg, Fachbereich Erziehungswissenschaft)
Inhaltsverzeichnis

Peter Dietrich, Uta Lohmann: "Daß die Kinder aller Confessionen sich kennen, ertragen und lieben lernen.", Die jüdische Freischule in Berlin zwischen 1778 und 1825.  

Ingrid Lohmann: Über die Anfänge bürgerlicher Gesprächskultur - Moses Mendelssohn (1729-1786) und die Berliner Aufklärung. In: Pädagogische Rundschau 46 (1992) 1, 35-49.

Ingrid Lohmann: Vom Ausschluß der hebräischen Rede aus dem Diskurs der Aufklärung. Preußische Minderheitenpolitik im frühen 19. Jahrhundert. In: Jahrbuch für Pädagogik 1996.

Ingrid Lohmann: Esther Gad, Einige Aeußerungen über Hrn. Kampe'ns Behauptungen, die weibliche Gelehrsamkeit betreffend. In: Erziehung und Bildung des weiblichen Geschlechts. Eine kommentierte Quellensammlung zur Bildungs- und Berufsbildungsgeschichte von Mädchen und Frauen. Bd. 1. Herausgegeben von Elke Kleinau und Christine Mayer. Weinheim 1996, 53-63.

Ingrid Lohmann: Ein Plan aus den Anfängen jüdischer Mädchenschulen (1803/4). In: Erziehung und Bildung des weiblichen Geschlechts. Eine kommentierte Quellensammlung zur Bildungs- und Berufsbildungsgeschichte von Mädchen und Frauen. Bd. 1. Herausgegeben von Elke Kleinau und Christine Mayer. Weinheim 1996, 64-69.

Ingrid Lohmann: Interkulturalität als Strategie sozialen Aufstiegs und religiöser Reform. Jüdische Knaben- und Mädchenbildung um 1800. In: Margret Kraul, Christoph Lüth (Hrsg.): Erziehung der Menschen-Geschlechter. Studien zur Religion, Bildung und Sozialisation in Europa seit der Aufklärung. Weinheim 1996, 185-213.

Ingrid Lohmann: Die Juden als Repräsentanten des Universellen. Zur gesellschaftspolitischen Ambivalenz klassischer Bildungstheorie. In: Pluralität und Bildung, herausgegeben von Ingrid Gogolin, Marianne Krüger-Potratz, Meinert A. Meyer. Opladen: Leske+Budrich 1998.


Abschlußarbeiten aus dem Kontext des Projekts

Christian Bahnsen:
Die Koedukation christlicher und jüdischer Kinder an der Berliner jüdischen Freischule (1778-1825).
(wiss. Hausarbeit im Rahmen des 1. Staatsexamens. Gutachter: Ingrid Lohmann und Jörn Wittern) 1996.

Peter Dietrich:
Das Verhältnis der preußischen Administration zur Reform des jüdischen Erziehungswesens. Eine Studie anhand der Geschichte der jüdischen Freischule in Berlin und der Königlichen Wilhelmsschule in Breslau.
(Magisterarbeit, Gutachter: Ingrid Lohmann und Jörn Wittern) 1996.

Michaela Will:
Zur Konstruktion von Weiblichkeit in der jüdischen Aufklärung. Die Diskussion um Frauenbild und Mädchenerziehung in der Zeitschrift Sulamith. (Diplomarbeit, Gutachter: Ingrid Lohmann und Fulbert Steffensky) 1996.

 

Anschrift

Prof. Dr. Ingrid Lohmann
Universität Hamburg
Von-Melle-Park 8
20146 Hamburg

Tel.: (49) 0 40- 42838-4749
                                      -2143, Sekretariat
Fax: (49) 0 40- 42838-2112
Lohmann [at] erzwiss.uni-hamburg.de

Schriftenreihe

Jüdische Bildungsgeschichte in Deutschland
History of Jewish Education in Germany