Ingrid Lohmann

Anmerkungen über Bildungspolitik

Anm1.htm
Beitrag für die Diskussion des
PDS-Programmentwurfs
T
eil Bildungspolitik

Der folgende Text enthält Auszüge verschiedener Artikel, die ich zum Thema Öffentliche Bildung am Ende der Moderne publiziert habe. Die Zusammenstellung erfolgte unter dem Aspekt, deutlich zu machen, daß bildungspolitische Strategien der Moderne wie z.B. der Chancengleichheitsdiskurs im postmodernen Spätkapitalismus nicht mehr greifen. Im Zentrum steht die Frage nach der Transformation "öffentlicher allgemeiner Bildung" durch Privatisierung.

 

Das Problem

In den Vereinigten Staaten von Amerika hat die warenförmige Umgestaltung der Bildung Dimensionen angenommen, die man noch vor fünfundzwanzig Jahren als reelle Subsumtion der Schulen unters Kapital bezeichnet hätte. So redet heute niemand mehr, aber der gemeinte Sachverhalt liegt mittlerweile vor, und zwar nicht nur in den USA.

"Begreifen, daß Bildung ein Wirtschaftszweig ist": Wie sich dieser verbandsoffizielle Standpunkt der US-Pädagogen diesseits des Atlantiks darstellt - die nächsten Jahre werden es erweisen. Noch ist für die meisten Pädagoginnen und Pädagogen hierzulande unvorstellbar, daß es in Deutschland zu vergleichbar massiven privatisierungs- und kommerzialisierungsgetriebenen Transformationsprozessen kommen könnte; viele Lehrerinnen und Lehrer erhoffen sich vom Rückzug des Staates aus der öffentlichen Bildung noch ein Mehr an pädagogischer Freiheit.

Aber es gibt gute Gründe, Zweifel daran anzumelden, daß die in Deutschland im Rahmen der Stein-Hardenbergschen Reformen grundgelegte, nationale Bildungstradition das zuende gegangene Jahrhundert lange überdauern wird.

Mit der Maxime, die Schulen seien in einen "Zweig der staatlichen Verwaltung" umzugestalten, wurde vor fast zweihundert Jahren ein allgemeines öffentliches Bildungswesen auf den Weg gebracht, und nahezu die gesamte Geschichte moderner deutscher Pädagogik nahm von dort ihren Anfang. Viele heute im Beruf stehende PädagogInnen haben ihre Studiensozialisation in den 1960er und 70er Jahren erfahren, als die Ära der "Systemauseinandersetzung" wissenschaftliche Lerninhalte und gesteigerte Zugangsmöglichkeiten zu höherer Bildung erbrachte. Für manche von ihnen verbinden sich mit der sozialwissenschaftlichen Problematisierung von Chancenungleichheit noch heute Hoffnungen auf eine Fortsetzung der Bildungsexpansion, den nachhaltigen Abbau sozialer Diskrimierungen und eine gerechtere Gesellschaft, wie sie das neuhumanistisch-liberalistische Modell einst geweckt hatte. Jedoch sollte nicht aus dem Blick geraten, daß die hierzulande vergleichsweise lange Tradition eines staatlich-öffentlichen Bildungswesens zusammen mit der kapitalistischen Moderne begann. Daß sie auch mit ihr zuendegeht, ist mehr als wahrscheinlich. Wenn dies zutrifft, dann wird es nötig sein, andere Positionen zu entwickeln als die - demnach vergebliche - der Verteidigung öffentlicher Bildungseinrichtungen.

Und dann geht es in der Tat darum zu begreifen, "daß Bildung ein Wirtschaftszweig ist". Allerdings stellt sich dann auch die Frage, wie es angesichts der Riesenprofite, um die es hier geht, möglich ist, politikfähig zu bleiben, ohne sich leise weinend auf "die Seite der sich polarisierenden globalen Front" zu schlagen, "auf der das behagliche Leben und die spannenden Lebenschancen zu finden sind" (Unger 1999).

Längst werden auch in Deutschland die gezielt geplünderten, nunmehr "leeren öffentlichen Kassen" bis zum Überdruß beschworen. Fast alle sind nun davon überzeugt, daß "wir uns" ein öffentliches Bildungssystem nicht mehr leisten können und, mehr noch, daß es ineffizient ist und durch bessere Modelle ersetzt werden kann und muß. Diese "Einsicht" hat bereits die Einführung von public-private-partnerships legitimiert, und sie wird bald vielleicht auch das Modell der Bildungsgutscheine, das derzeit kontrovers debattiert wird, in einem milderen Licht erscheinen lassen.

Informationsgesellschaft und Bildungstheorie

Das Thema Strukturwandel der Bildung in der Informationsgesellschaft betrifft ein Szenario, das in der Gegenwart und nahen Zukunft liegt. Zugleich gehört es in den Zusammenhang von Bildung und Wissenschaft in der Moderne, sagen wir: in den letzten 300 Jahren; im Zuge der Herausbildung des Kapitalismus hat besonders seit dem frühen 18. Jahrhundert der Kampf um die Demokratisierung des Wissens eine zentrale Rolle innegehabt.

Die Auseinandersetzung um den Zugang zum Wissen ist auch die zentrale Problematik in der Informationsgesellschaft. Dabei wird sich das Verhältnis von Bildung und Wissenschaft grundlegend verändern. Gleichbleibende politische Steuerungsmaximen vorausgesetzt, wird das öffentliche Bildungssystem, das in der Moderne als Institution der Vergesellschaftung wissenschaftlichen Wissens fungiert hat, als solches aufhören zu existieren.

Der wesentliche Impuls für die absehbaren einschneidenden Änderungen geht von der Kommerzialisierung, dem Warenförmig-Werden der relevanten Informationszugänge aus. Im Vergleich zu den Dimensionen, die das Warenförmigwerden des Wissens noch annehmen wird, wird ein Faktor wie Schulgeld - ehedem Instrument der Regulierung des Zugangs zum Wissen und für die meisten nur noch Relikt vergangener Tage - der "guten alten Zeit" angehören, ebenso seine aktuelle Variante, der boomende Markt privaten Nachhilfeunterrichts. Allgemeinbildung wird in der Berufsbildung aufgehoben werden, jedoch unter völlig anderen Vorzeichen, als Herwig Blankertz sie noch zu Beginn der achtziger Jahre theoretisch postuliert hat. Und für die anarchistische Theorie der Schule (Stefan Blankertz) ist es schon zu spät, denn der Staat zieht sich bereits aus dem Schulwesen zurück.

Das duale System der Berufsbildung wird bedeutungslos werden; für eine Minderheit wird es unternehmensfinanzierten Qualifizierungsprozessen weichen. Beschäftigungsrelevante Weiterbildung wird ausschließlich den bei zahlungskräftigen Unternehmen Angestellten zukommen und dies auch nur, solange die Beschäftigten bereit sein werden, das neuerworbene Wissen einzig dem Unternehmenszweck zufließen zu lassen. Dazu werden sie sich vertraglich verpflichten müssen. Wenn ihr Arbeitsvertrag ausläuft, wird ihr inkorporiertes Wissen im wesentlichen veraltet sein. Nicht das Individuum wird Eigentümer seines Wissens sein, sondern das Unternehmen, bei dem es beschäftigt ist. Der Bildungsbegriff wird endgültig der Vergangenheit angehören.

Dies sind, zusammengefaßt, die Aussichten, die im Falle einer Fortschreibung der dominanten Politik-Linie zu gewärtigen sind.

Deshalb ist es ein umso aufschlußreicheres Datum, daß die Aufgabe der Schule von den Propagatoren der Informationsgesellschaft vor allem in der Beschaffung von sozialer Akzeptanz gesehen wird. Außer in der politischen Rhetorik stehen Erwägungen, "ob und wie sich schulische Bildungsprozesse nunmehr verändern müssen", dabei durchaus nicht im Zentrum. Sonst stünden auch die staatlichen Bildungsbudgets inzwischen ganz anders da. Der frühere Bundesbildungsminister Rüttgers beispielsweise konstatierte völlig leidenschaftslos, daß in Deutschland "nur wenige bereits in der Schule" lernen, sich in dem riesigen Wissensmeer zu orientieren, das da weltweit im Entstehen sei.

Das "Informationsgesellschaft" genannte Stadium des Spätkapitalismus, in dem wir uns befinden, bringt die infrastrukturellen und technologischen Voraussetzungen für die Entkopplung von Bildung und Wissenschaft und für die Marginalisierung des öffentlichen Bildungssystems in großem Stil mit sich.

Politische Gestaltung der Ökonomisierung von Bildung

Aber auch eine "Ökonomisierung der Bildung" kann politisch gestaltet werden. Wenn sie neoliberalistischem Gestaltungswillen (der keineswegs nur aus "Deregulierung" besteht) überlassen bleibt, dann wird die bereits vorhandene Spaltung zwischen Schulen in den Wohnvierteln der Wohlhabenden - jenen Gymnasien mit finanzstarken Eltern- und Fördervereinen, denen in bestimmter Hinsicht die Privatisierung gar nicht schnell genug gehen kann - und der Mehrheit der Schulen sich in nächster Zeit weiter vertiefen. Die Entwicklung der Bildungssysteme in den USA, Großbritannien, Chile, Neuseeland, China und anderen Ländern liefert hierfür reichlich Anschauungsmaterial.

Wenn dies verhindert werden soll, dann muß die politische Auseinandersetzung mit jenen Kräften, die vormals die Dreigliedrigkeit der öffentlichen Schulen, jetzt deren Privatisierung wollen, verstärkt werden. Dazu gehört unter anderem eine (auch dem wohlhabenden Bürgertum vor Augen zu führende) klare Vorstellung davon, wie die Szenarien aussehen, die dann nicht mehr nur Städte der "Dritten Welt", der entindustrialisierten Zonen kapitalistischer und ehemals realsozialistischer Länder prägen, sondern z.B. auch in Hamburg, München und Berlin die soziale Landschaft bestimmen (werden). Dann müssen sich die Privilegierten fragen lassen, ob der Ersatz öffentlicher Räume durch "gated communities", die zur Not mit Waffengewalt verteidigt werden, das ist, was sie sich als Zukunft der Länder des Schengen-Abkommens vorstellen.

a) Öffentliches Bildungssystem und neue Technologien

Auch wenn Globalisierung nicht als das vielbeschworene Schreckgespenst eines Prozesses bemüht wird, dem wir alle uns bei Strafe wirtschaftlichen Untergangs anzupassen hätten: Ein Bildungssystem, das seine AbsolventInnen nicht dazu befähigt, die Informations- und Kommunikations-Technologien (IuK) als qualitativ neuen Bestandteil der Kultur und des Wirtschaftens nicht nur anzuwenden, sondern auch aktiv zu gestalten, hätte sich historisch überlebt.

Wozu sollten öffentliche Schulen und Hochschulen verteidigt werden, die (sich) nicht in die Lage versetzen, die IuK-Technologien anzueignen?
(Immer vorausgesetzt, daß "Öffentlichkeit" die Sphäre ist, in der die Versammlung der Bürger die Leitung der Gesellschaft verhandelt, und "Bildung" die persönliche Qualifikation, die eine Gesellschaft für nötig erachtet, an Öffentlichkeit teilzuhaben).

Die gesellschaftliche - kulturelle und ökonomische - Verwendungsweise der neuen Medien ist nicht bloß privaten Wirtschaftsunternehmen zu überlassen. Öffentliche Bildungseinrichtungen - so denn wieder ein Begriff davon entwickelt wird, wozu die gut sein sollen - müssen dies für alle SchülerInnen gewährleisten müssen. Es kann nicht angehen, daß sich einerseits Jugendliche aus bestimmten Sozialschichten die IuK-Technologien im privaten Raum aneignen, während ein anderer Teil der Jugendlichen Computer und Internet allenfalls in den Spielzeugabteilungen der Kaufhäuser kennenlernt und insbesondere Mädchen von ihrer Aneignung womöglich weitgehend abgehängt werden.

Schulen und Hochschulen - als öffentliche Einrichtungen - müßten in der Lage sein bzw. in die Lage versetzen, das technologisch-kulturelle Potential der neuen Technologien nach Kriterien auszuloten und zu entwickeln, die weiter reichen, als unter den Zwängen privatunternehmerischer Profiterwirtschaftung möglich ist. Allerdings ist die Gefahr einer konkurrenzwirtschaftlich-ökonomistischen Verkürzung der Weiterentwicklung der IuK-Technologien derzeit sehr groß. Öffentliche Schulen und Hochschulen hingegen könnten zu Werkstätten der Erprobung des kulturellen Gestaltungspotentials der IuK-Technologien umgebaut werden, und zwar über das Maß hinaus, das "die Wirtschaft" nach den Kriterien spätkapitalistischer Ökonomie für erforderlich hält.

b) Vom Ende der politischen Sphäre der Moderne

Historisch betrachtet sind Schulen in der Neuzeit - vor Beginn der Moderne - Bestandteil der ökonomisch-kulturellen Sphäre. Eine eigenständige politische Sphäre entsteht - schematisch gesprochen - erst mit der französischen Revolution; in Preußen beginnt sie mit den Stein-Hardenbergschen Reformen. Eine politische Sphäre sui generis ist ein Spezifikum 1. moderner 2. bürgerlicher und 3. nationalstaatlich verfaßter Gesellschaften.

Das Zeitalter der Moderne aber, gekennzeichnet durch Industriekapitalismus sowie durch eine bürgerlich-demokratische Verfaßtheit des Nationalstaats als politische Bewegungsform des Kapitals, dieses Zeitalter geht zuende. Wir sehen es an der Erosion der politischen Sphäre, einer Sphäre, die nicht viel älter als 200 Jahre ist, an ihrem Bedeutungsverlust für die sich global entfaltende Wirtschaft. Wenn überhaupt, beginnt sich heute eine neue politische Sphäre im Raum des Anti-Kapitalistischen zu entfalten.

Die Ökonomisierung des öffentlichen allgemeinen Bildungswesens hingegen, ebenso wie die Ökonomisierung anderer Institutionen des öffentlichen Lebens, ist ein Indikator dafür, daß das Spannungsverhältnis von Bourgeois und Citoyen - von Wirtschaftsbürger und Staatsbürger, jenen Leitvorstellungen der bürgerlichen Gesellschaft von sich selber - bedeutungslos geworden ist. Die Globalisierung des Kapitalverhältnisses und die wirtschaftlichen Größenordnungen, die bei zahlreichen transnationalen Konzernen das Bruttosozialprodukt vieler Länder der Erde längst weit übersteigen, sprechen eine andere Sprache - eine, die nichts mehr mit den politischen Leitvorstellungen der moderner bürgerlicher Demokratien nichts mehr zu tun hat. Global players, die globalen herrschenden Eliten, sind eine neue soziologische Kategorie, die mit dem Begriff des Bürgertums nicht mehr zu fassen ist (vgl. Dahrendorf).

Nationale Bildungssysteme waren nicht nur Institutionen des Bürgertums, sie waren als solche immer auch Schauplätze der Beziehung von Bourgeois und Citoyen und des Spannungsverhältnisses zwischen ihnen. Als staatlich-öffentliche Einrichtungen bezogen sie praktisch sämtliche Wertvorstellungen aus diesen sozialen Leitfiguren von Bourgeois und Citoyen. Das galt insbesondere für den klassischen (Humboldtschen) Bildungsbegriff selbst. Durch die Globalisierung werden diese Leitvorstellungen heute in rasantem Tempo abgewertet.

An die Stelle treten die Wertvorstellungen des Aktienmarkts, die besagen, daß das Wirtschaften weder durch Staat und Gemeinschaftsaufgaben noch durch öffentliche Regularien oder nationale Grenzen gebremst oder sonstwie beeinflußt werden soll. Wenn dabei die Nationalstaatlichkeit als ökonomische Bewegungsform der avanciertesten und größten Kapitale und insbesondere der globalen Finanzmärkte an Bedeutung verliert, dienen staatliche Institutionen tendenziell nur noch dazu, die Verwertungsbedingungen ebendieser Kapitale in den jeweiligen Territorien zu sichern.

Von einer politischen Sphäre, von einem emphatischen Begriff des (Staats) Bürgers und demgemäß also auch von Bildung im Sinne der klassischen politischen Philosophie des Liberalismus (Rousseau, Kant, Humboldt, Schleiermacher) ist dann, streng genommen, nicht mehr zu reden.

c) Was tun?

Man muß nicht der Auffassung sein, daß die so umrissenen Entwicklungen betrauert werden müßten - im Gegenteil. Mit der zu Ende gehenden politischen Sphäre der Moderne - ebenso wie mit dem Bildungssystem selbst: man denke an Bourdieu/ Passerons Analyse der "Illusion der Chancengleichheit" - ist stets auch wirksam verschleiert worden, daß sie eine fundamentale ökonomische Ungleichheit verbirgt. Weder die politische Sphäre der Moderne als ganze noch ihr öffentliches Bildungssystem waren je angetreten, ökonomische Ungleichheit zu beseitigen (wie von Seiten der Kritischen Theorie längst eingewandt worden ist). Eine Neuformulierung öffentlicher Bildung als Teil des EU-geschützten Privilegiengärtleins "Festung Europa" wäre allerdings auch nicht wirklich der Mühe wert.

Eine lohnende intellektuelle Herausforderung besteht weiterhin darin, die Marktmetapher und andere Ideologeme auseinanderzunehmen, hinter denen sich der liberalistisch verbrämte Kapitalismus der Moderne immer schon verborgen hat und die heute die neue Weltordnung des US-dominierten, globalen Spätkapitalismus der Postmoderne stützen (Jameson 1997, Lakoff 1991, Chomsky 1991, 1999).

Lohnend wäre darüberhinaus, sich an der Schöpfung einer neuen Meta-Erzählung von Gerechtigkeit zu beteiligen, wie es der US-amerikanische Erziehungswissenschaftler Peter McLaren (1999) als kollektives Projekt vorschlägt.

Im Internet figuriert Comenius als Schutzpatron jenes alteuropäischen Projekts, das darauf zielt, alles Wissen allen zugänglich zu machen. Die Neufassung dieses Projekts steht derzeit zur Disposition. Im Zentrum steht dabei die Frage, ob es gelingen kann, den Abbau des öffentlichen Sektors für die Bereiche Bildung und Wissenschaft zu stoppen – und damit eine Entwicklung nach US-Vorbild aufzuhalten, die für die medizinische Versorgung der Bevölkerung hier wie dort schon weit vorangeschritten ist.

Der Erhalt eines öffentlichen Bildungs- und Wissenschaftssystems, von gemeinschaftlich finanzierten Schulen und Hochschulen, ist heute u.a. gleichbedeutend damit, die Zugänge zu den elektronischen Datenbanken und Kommunikationsmedien offenzuhalten und der weiteren Monopolisierung und Kommerzialisierung durch transnational operierende Konzerne zu entziehen.

Gleichzeitig allerdings wird die Frage aufzuwerfen und in breitem Maße zu diskutieren sein, welche Inhalte und Leitfiguren denn heute, im Zeitalter der Postmoderne und spätkapitalistischer Globalisierung, an die Stelle dessen treten könnten, was am programmatischen Beginn der nationalstaatlich-industriekapitalistischen Moderne, vor rund zweihundert Jahren, im Modell der "Bildung des Staatsbürgers" kulminierte (zu dessen vorrangigen, gemeinschaftlich auszuübenden Kompetenzen, wie gesagt, die Kontrolle der nationalstaatlichen Regierungen gehören sollte).

Und dies wiederum setzt eine Auseinandersetzung mit der Frage voraus, ob es heute gesellschaftliche Gruppen gibt, die zum Subjekt der fälligen historischen Neudefinition von Öffentlichkeit und Privatheit werden können – Gruppen also, die nicht nur willens, sondern auch in der Lage sind, den Primat der Politik über die Ökonomie zu gewinnen, um, zum Beispiel, die Verwertungsbedingungen des Kapitals, global und lokal, zu definieren und zu kontrollieren. Ein solches Subjekt kann offensichtlich kein vorwiegend nationalstaatlich agierendes mehr sein.


website: IL. Letzte Änderung: 12. Februar 2001